Die Wilde Möhre (August)
Liebe Pflanzenfreunde,
es ist wirklich Hochsommer geworden! Manche Pflanzen haben es schwer mit der Hitze und welken dahin, andere lieben dieses Wetter geradezu, so wie zum Beispiel unser wilde Thymian, der Dost oder andere Pflanzen, die voller ätherischer Öle stecken. Eine dieser Pflanzen, die Wilde Möhre, verschönt mit ihrer filigranen Blüte unsere schon etwas gelben Wiesen. Nicht nur, dass sie die Mutter unserer Gartenmöhre, der Karotte, ist, sie selbst steckt voller Vitamine, Mineralsalze und ist eine alte Heilpflanze.
Die Wilde Möhre ist ein Doldengewächs und gehört zu den Schirmblütlern. Sie ist recht anspruchslos und wächst genauso auf Fettwiesen wie auch auf Magerrasen. Wir finden sie an Wegesrändern, Böschungen, auf kargen Steinböden… Staunässe mag sie nicht.
Da die Wilde Möhre zu den Doldengewächsen gehört (und damit zu der Pflanzengattung, in der auch sehr giftige Pflanzen, wie z.B. der Schierling beheimatet sind), sollten wir uns absolut sicher sein, dass es auch die Wilde Möhre ist, die wir ernten. Die Wilde Möhre ist sehr gut an ihrer „schwarzen Mohrenblüte“ in der Mitte der Schirmblüte zu erkennen. Es ist die weibliche Blüte, die in der Mitte der weißen männlichen Blüten wächst. Die Blütendolde wird von sehr feinen, filigranen grünen Hüllblättern umrahmt. Sie hat einen fein behaarten Stängel und zwei bis dreifach gefiederte Blätter. Meistens ist die Pflanze zweijährig.
Unsere Wilde Möhre ist, wie zum Beispiel der Löwenzahn, eine Pionierpflanze. Denn sie bildet wie er, lange Pfahlwurzeln aus (manche Pflanzen reichen mit ihrer Pfahlwurzel bis zu 80cm in die Tiefe). Im Gegensatz zur Karotte ist die Wurzel weiß-gelblich, da sie kaum Karotin enthält. Oft ist die Wurzel mit ihrem typischen Karottengeschmack verholzt und eignet sich dann weniger zum Verzehr (man kann sie noch raspeln oder in der Gemüsebrühe auskochen). Die ca. 20-120 cm hohe Pflanze blüht von Ende Mai bis Anfang September.
Allerdings stängelt sie mit ihrem aromatischen, sehr schmackhaften Blattgrün schon im April aus der Erde und kann unsere Wildkräuterküche ab dem Frühjahr bereichern. Die vollreifen Samen wachsen bis in den Oktober hinein, sind voller ätherischer Öle, sehr würzig und eignen sich für das Spicken von Wild genauso wie zum Verfeinern von Soßen (z.B. Preiselbeersoße) und Suppen. Auch die Blüte schmeckt sehr gut und veredelt Salate, Öl, Dressing und Aufstriche.
Die gesamte Pflanze ist also essbar (die Stängel können in Gemüsebrühe ausgekocht werden).
Aber die Wilde Möhre ist nicht nur ein wunderbares, vielseitiges Wildgemüse, sie ist auch eine alte Heilpflanze. Die Samen sind sehr reich an ätherischen Ölen. Sie und ein aus den Samen gepresstes Öl wurden bei Parasitenbefall verwendet (z.B. bei Madenwürmern, hier ist auch eine positive Wirkung beim Verzehr der rohen Wurzel überliefert), weiterhin bei Magenproblemen, Fehlbesiedlung des Darms, Blähungen und Durchfallerkrankungen. Außerdem sollen Samen und Öl schmerzstillend und entzündungshemmend wirken.
Ein Tee aus den frischen Blättern und Blüten schmeckt nicht nur gut, er ist auch harntreibend und leicht entschlackend. In früheren Zeiten wurde sie als potenzsteigerndes Mittel verwendet.
Vor allem wenn der Mann nach dem Sex ausgelaugt, müde ist und auch stellenweise mit Kopfschmerzen reagiert, scheint ein Tee von Kraut, Samen und Wurzel positiv zu wirken.
Außerdem wirkt ein Tee leicht stimulierend und erfrischend auf den Organismus.
Zusätzlich besitzt die Wilde Möhre Vitamin A, B1, B2, Vitamin C, Mineralsalze und Kohlenhydrate.
In der alten Volkskräuterkunde wurden nach meinem Wissen die Samen und Aufbrühungen der Wurzel auch für die Unterbrechung einer ungewollten Schwangerschaft verwendet (ähnlich wie die Petersilie). Deshalb sollten Schwangere auf den Verzehr der Wurzel und Samen sowie des Öls verzichten.
Außerdem kann es in seltenen Fällen zu einer Kontaktallergie kommen.
Wenn Sie sich die Zeit nehmen, die Blüte einer Wilden Möhre zu betrachten, wird Ihnen ihre besondere Symmetrie und Ordnung auffallen. Ihre wunderschönen weißen Blüten zentrieren sich um die schwarze Blüte in der Mitte und bilden eine Art „Strahlenkranz“.
Die ganze Pflanze wirkt auf mich leicht, fast „tänzerisch“ und zu gleich sehr kraftvoll (eine Eigenschaft, die für mich viele Doldenpflanzen besitzen).
Tief verwurzelt, sozusagen gut geerdet und zentriert, verströmt sie Leichtigkeit und wärmende Zugewandtheit. Und diese kann sie uns auch auf der seelischen Ebene vermitteln.
Die Wilde Möhre ist für mich eine Pflanze, die uns hilft, unseren vielen Gedanken und Wünschen nicht zu viel Gewicht zu geben. Denn dieses „Gewicht geben“ macht uns schwer und unlebendig. All die „Wenn“ und „Aber“, die „Hätte ich nicht“ oder „Hätte ich doch lieber“, die „Was wird wenn“ und „hätte er/sie mir das nicht angetan“… sind die vielen großen und kleinen Staumauern im Fluss unseres Lebens.
Geben wir unseren Gedanken und Wünschen unsere Aufmerksamkeit, sind wir ein Spielball ihrer Launen. Wir verstricken uns in unseren Träumen, Sorgen und Befürchtungen. Entziehen wir ihnen nach und nach unsere Aufmerksamkeit, wird unser Leben viel leichter, heiterer und gelassener. Und was geschieht, wenn die Staumauern verschwinden? Der Fluss fließt ungehindert. Das klingt nach viel Freude, Kreativität und Lebensfreude.
Die Wilde Möhre macht sich darüber keine Gedanken, sie weiß davon nichts, sie lebt es, ganz einfach!
In die Wildkräuterküche geschaut
Wie schon erwähnt, ist die ganze Pflanze essbar. Sie können das junge Kraut fein hacken und auf das Butterbrot geben, als Salatzugabe verwenden oder einfach so genießen. Es verfeinert auch Gemüsesuppen und Soßen. Die Blüte schmeckt in Bierteig ausgebacken gut und die Samen geben Wildgerichten und Wintersoßen den richtigen „Kick“.
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